05.08.12

Die Beach Boys in Stuttgart

Die Stuttgarter Schleyerhalle ist für ihre Klangqualität nicht eben berühmt. Um so erstaunlicher ist, dass die ausgetüftelte Vokalartistik der Beach Boys ebendort einen Höhepunkt erlebte, wo ihn selbst geneigte Surfmusik-Fans kaum erwarten konnten. Ein halbes Jahrhundert Musikgeschichte haben die inzwischen gut siebzigjährigen Kalifornier mit geprägt - Pete Townshend zählt den Komponistenkollegen Brian Wilson nicht umsonst zu seinen größten Vorbildern. Die zahlreichen biografischen Brüche besonders der Wilson-Brüder stehen nur in scheinbarem Widerspruch zur Gute-Laune-Musik; das wird spätestens in der meisterhaften zweiten Hälfte des über zweieinhalbstündigen Konzerts in Stuttgart deutlich. Transzendenz und Heiterkeit leuchten um so offensichtlicher auf, da die persönliche Tragödie des Musikgenies Wilson plötzlich zum Preis für die jähe Tiefe wird, die in fast allen Beach-Boys-Song lauert. Wenn der kranke Meister in Jogginghose und Schlabbershirt über die überirdisch illumminierte Bühne schlurft oder am weißen Flügel mit von Psychopharmaka entlebter Miene "God Only Knows" vorträgt, gehen tausend Türen auf. Alles scheint plötzlich möglich in dieser merkwürdigen Welt, wenn traurig-weise Opas in Hawaihemden vom Traum der großen Welle singen, die ewige Schönheit von Strandgirls oder benzinsaufende Straßenkreuzer preisen. Man muss nicht immer die großen Worte finden, nicht immer die große Geste, um sein Publikum zu verzaubern und mitzureißen, sondern einfach nur gute Musik darbieten durch verdammt gute Musiker. Das haben die Beach Boys getan - es war ein großer Abend in der Stuttgarter Schleyerhalle.
Während der15-minütigen Pause sitzt Brian Wilson reglos hinter den Bühne und blickt in einen leeren Bildschirm ...